Ein Schema ist als Denk-, Fühl- und Assoziationsweise, die auf Erfahrungen aus der Kindheit zurückgehen, zu verstehen. Diese können im Erwachsenenalter zu Blockaden oder auch Lebensfallen führen, die Menschen daran hindern sich weiterzuentwickeln und die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse verhindern.
Manche Menschen sind sich ihrer „Muster“ kognitiv, also gedanklich durchaus bewusst. Jedoch können sie sich nicht verändern, weil Ihnen die Verbindung zu ihren Gefühlen fehlt. Das liegt daran, dass dieses Verhaltensmuster bzw. diese Bewältigungsstrategie meist in einer Lebensphase entstanden ist, als noch keine Sprache entwickelt war und somit auch keine Worte in Gedanken dazu entstehen konnten. Die unbewusste Erinnerung wurde ausschließlich „verkörpert“ also im Körper durch gespeicherte Gefühle integriert. Laut dem Gründer der Schematherapie Dr. Jeffrey Young, führt die Frustration eines oder mehrerer kindlicher Grundbedürfnisse zur Entstehung dieser sogenannten, maladaptiven Muster, die in Form eines Modus aktiv werden können.
In der Schematherapie/Schema-Coaching lernen Patienten/Klienten Verbindung zu ihren verkörperten Gefühlen und den dahinter liegenden kindlichen Bedürfnissen aufzunehmen, für diese Worte zu finden und als Erwachsener Mensch Verantwortung für ihre Gefühle und Bedürfnisse zu übernehmen.
Dr. Jeffrey Young, Begründer der Schematherapie bemerkte in seiner Praxis, dass seine Herangehensweise, bei der Behandlung Patienten mit unterschiedlich ausgeprägten Persönlichkeitsstörungen, eine rein kognitive Therapie wenig bis keinen Erfolg zeigte. Aufgrund eigener Erfahrungen mit Körpertherapeutischen und Gestalttherapeutischen Tools (Werkzeugen und Methodiken) erfuhr er, welche positiven Auswirkungen die Einbeziehung eigener Gefühlswelten, von Bedürfnissen, des Raums und auch bildlichen Imaginationen hatten. Bis dato wurde den Gefühlen der Patienten und Patientinnen weniger Aufmerksamkeit zuteil. Man konzentrierte sich in der Behandlung auf die Gedankenwelt.
Young kombinierte folgende Therapeutischen Modelle und konzipierte daraus die Schematherapie (Quelle: Dr. Migge, Schema-Coaching)
Er erstellte ein Modell, das auf der Theorie fußte, dass Menschen mit gestörtem Bindungs- und Beziehungsverhalten teilweise bis zu traumatische Frustrationen ihrer kindlichen Grundbedürfnisse in ihrer frühen Kindheit erfahren haben mussten.
Aus diesen 5 Grundbedürfnissen entwickelte er 5 Domänen, denen er wiederum 18 Schemata unterordnete. Diese Schemata zeigen die erlernten Verhaltensmuster auf, wenn eines der 5 Grundbedürfnisse nicht erfüllt wird. Diese Verhaltensmuster werden unter Umständen ein Leben lang abgerufen. Gleichzeitig können sich im Laufe des Lebens durchaus auch resiliente Verhaltensmuster etablieren, die dem Menschen dienlich sind und nicht als Störungen wahrgenommen werden.
I. Abgetrenntheit und Ablehnung, als Kind gedemütigt, beschämt, ausgegrenzt, gemobbt, abgelehnt (wirklich oder so empfunden) (Bindung)
II. Beeinträchtigung von Autonomie und Leistung, als Kind abhängig von der Meinung der Eltern, Eltern nehmen dem Kind Entscheidungen ab, Eltern sind sehr ängstlich (Helikoptereltern), zu starke Bindung zu den Eltern, Verstrickungen, Kind übernimmt früh Verantwortung für die Eltern, Erwartung an hohe Schulleistung sonst Kritik (Kontrolle nach Außen/Autonomie)
III. Beeinträchtigung im Umgang mit Grenzen, kaum oder keine Grenzen, weil Eltern bei Streit immer klein beigeben, Eltern lassen Kinder einfach machen, Privilegien wurden einfach vom Kind umgesetzt (Kontrolle nach innen/Selbstkontrolle)
IV. Übertriebene Außenorientierung, Kind musste gehorchen, auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wurde keine Rücksicht genommen, es wurde sehr auf die Außenwirkung wert gelegt (Selbstwerterhöhung/Selbstwertschutz)
V. Übertriebene Wachsamkeit/Gehemmtheit, Kind wurde sehr viel kritisiert, bestraft, beschämt ohne logischen Zusammenhang, Perfektionismus, Ständiger Vergleich mit anderen, Fokus auf das Negative Verhalten (Lust/Unlustvermeidung)
I. Bindung: Abgetrenntheit und Ablehnung
1. Verlassenheit/Instabilität
2. Misstrauen/Missbrauch
3. Emotionale Entbehrung
4. Unzulänglichkeit/Scham
5. Soziale Isolation
II. Autonomie/Kompetenz/Identität: Beeinträchtigung von Autonomie und Leistung
6. Abhängigkeit/Inkompetenz
7. Anfälligkeit für Schädigung und Krankheit
8. Verstrickung/unterentwickeltes Selbst
9. Versagen
III. Grenzen gesetzt bekommen und selbst setzen/selbst Kontrolle ausüben: Beeinträchtigung im Umgang mit Grenzen
10. Anspruchshaltung/Grandiosität
11. Unzureichende Selbstkontrolle/-Disziplin
IV. Berechtigte Bedürfnisse und Gefühle ausleben/ausdrücken: Fremdbezogenheit
12. Unterwerfung
13. Selbstaufopferung
14. Streben nach Zustimmung/Anerkennung
V. Spontanität/Erkundungsdrang und Spiel: Übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit
15. Negativität/Pessimismus
16. Emotionale Gehemmtheit
17. Überhöhte Standards/kritische Haltung
18. Bestrafen
*maladaptiv= auch psychologisch dysfunktional, also einschränkend bis nicht funktionierende Strategien, um eine Situation zu bewältigen. Letztendlich, um zu überleben. Diese Strategien haben alle Säugetiere: Flucht, Ergeben, Kampf. Werden auch Abwehrformen oder Schatten (C.G.Jung) genannt.
Stell dir vor, du kennst nur diesen einen Weg von A nach B zu kommen. Du bist es gewohnt, hier nach links zu schauen, beim Blitzer langsam zu fahren und weißt, dass du hier 50 h/km fahren musst, um die grüne Welle zu schaffen. Plötzlich „funktioniert“ dein Weg nicht mehr. Denn die Straße ist gesperrt, die Ampel ausgefallen und es gibt kein Umleitungsschild. Je nachdem welches dein (dysfunktionales) Schema ist, wird eine sogenannte Bewältigungsstrategie aktiviert, in dem du jetzt „reagierst“: Kampf, Flucht oder Ergeben.
Wenn „dein“ Schema beispielsweise Abhängigkeit/Inkompetenz ist (Domäne II), wirst du dich vermutlich hilflos fühlen und einfach stehen bleiben, weil du nicht weiter weißt. Vielleicht kommen dir die Tränen, weil du dich unfähig fühlst, diese Situation selbst zu meistern. Du vermeidest (ziehst dich zurück) oder ergibst dich (nimmst die eigenen Bedürfnisse (wie sicher anzukommen) nicht mehr wahr).
Wenn „dein“ Schema beispielsweise Selbstkontrolle/Grandiosität ist (Domäne III.), wirst du dich vermutlich der Situation weit überlegen fühlen und andere Fahrer verfluchen, die verunsichert die Strecke entlang fahren. Eventuell wirst du in deinem Verhalten rücksichtslos anderen Straßenteilnehmern, weil du überzeugt bist, dass du es am besten weißt und den anderen überlegen bist. Du gehst in den Kampf.
Wichtig zu verstehen ist, dass die Erhaltung dieser „maladaptiven“ Stressbewältigungsstrategien sehr viel Energie verbraucht. Menschen nutzen diese unbewusst wie ein Schutzschild oder äußerer Panzer. Diese Bewältigungsstrategien hatten in der frühesten Kindheit auch durchaus ihren Sinn. Denn sie haben dem Kind das „Überleben“ in ihrer individuellen Familie gesichert. Aus diesem Grund hat das Kind sie verinnerlicht.
Sobald kindliche Bedürfnisse frustriert werden, wird das Kind in seiner Grundessenz nicht mehr wahrgenommen. Die Eltern handeln (auch teilweise zum Schutz, oder weil sie es nicht besser wissen/können) am Herzen und Wesen des Kindes vorbei.
Zu den Verknüpfungen bestimmter, wiederholt abgerufener Bewältigungsmodi tauchen genauso wiederholt, sogenannte innere Stimmen auf. Diese können kritischer, verurteilender, bestrafender oder auch motivierender Natur sein. Ein Beispiel ist der „innere Kritiker“. Innere Anteile oder Kopfbewohner etablieren sich durch Hören und vor allem durch Erleben/Empfinden der eigenen Gedanken, wenn bestimmte äußere Impulse besonders emotional stimulierend sind. Diese prägen sich besonders intensiv ein. Diese inneren Anteile werden von Young „Modi“ genannt.
Dazu gehören kindliche Modi, erwachsene Modi und elterliche Modi. Diese werden in der Schematherapie und auch im Schema-Coaching durch Aufstellungsarbeit und Imagination auf eine äußere oder auch innere Bühne gebracht und können dort interagieren.
Das „Modus-Modell“ in der Schematherapie nach Young beschreibt verschiedene emotionale Zustände oder „Modi“, in denen sich eine Person in bestimmten Situationen befindet. Jeder Modus repräsentiert ein bestimmtes Muster von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, die durch frühere Erlebnisse und maladaptive Schemata ausgelöst werden.
Die vier Haupt-Modi-Gruppen im Modusmodell:
1 Kind-Modi: Diese repräsentieren emotionale Zustände aus der Kindheit:
2 Bewältigungsmodi: Diese Modi sind Reaktionen auf schwierige Situationen:
3. Dysfunktionale Eltern-Modi: Diese inneren Stimmen sind kritisch oder strafend:
4. Gesunder Erwachsener-Modus: Dieser Modus ist das Ziel der Therapie, bei dem die Person rational und fürsorglich agiert, um die anderen Modi zu regulieren und gesunde Entscheidungen zu treffen.
Young definiert den gesunden Erwachsenen als den Teil, der bisher nicht etabliert wurde, da der Patient oder die Patientin wiederholt seit der Kindheit in seinem Schema fest sitzt. Der Therapeut oder auch Coach kann die Rolle des gesunden Erwachsenen übernehmen und dem aktiven kindlichen Anteil dadurch eine Stimme gegenüber den als übermächtig oder vielleicht auch inkompetent empfundenen Eltern, leihen. Das Ziel ist es, das Patienten/Klienten diesen Modus annehmen und selbst die Rolle des erwachsenen Mensch ausfüllen und integrieren können.
Manche Patienten/Klienten kennen diesen Anteil bereits. Vielleicht ist eine Person in Ihrem Umfeld, die du als besonders kompetent, standhaft, selbstbewusst und empathisch empfindest. Diese Person kann dann unterstützend zu Seite stehen. Andere kennen diesen gesunden erwachsenen Anteil aus einem anderen Lebensbereich, in dem er sehr gut entwickelt ist. Vielleicht im Arbeitsumfeld, wenn im Beziehungsumfeld eher die kindlichen Anteile aktiv sind.
In der Therapie und im Coaching werden besonders kritische Anteile durch die Unterstützung des gesunden Erwachsenen begrenzt oder unterdrückte Anteile bekommen Gehör und Empathie. Dies nennt Young „limitierte Nachbeelterung“.
Ein Gesamtprozess im Schema Coaching dauert durchschnittlich 15–20 Einheiten.
Die folgenden Punkte können in variabler Reihenfolge und auch bei Bedarf wiederholt durchgeführt werden:
Der gesunde Erwachsene bildet das neue Zentrum, den Kern
Menschen mit einer diagnostizierten Persönlichkeitsstörung sollten sich an einen ausgebildeten Schema-Therapeuten/Schema-Therapeutin wenden. In diesem Fall ist eine besondere Behandlung notwendig, die über das Coaching hinausgeht. Ein/-e Schematherapeut-/in kombiniert Elemente der Schematherapie, einer weiterentwickelten Form der Verhaltenstherapie, um tiefliegende Muster und Störungen sowie Symptome der Persönlichkeitsstörung zu bearbeiten. Unter diesem Link finden Sie geeignete Kolleg*innen. Wie in den meisten Therapieformen kann es zu langen Wartezeiten kommen. Eine vorübergehende Begleitung durch einen Schemacoach kann nach Rücksprache mit dem behandelnden Therapeuten sinnvoll sein.
Menschen, die keine diagnostizierte Persönlichkeitsstörung haben und gleichzeitig ein Bewusstsein für ein vermutlich tieferliegendes Muster haben, können im Schema-Coaching die nötige Unterstützung finden, ihre Muster zu verändern. Genauso Menschen, die schon innere Kind Arbeit, Glaubenssatzarbeit und Imaginationen „ausprobiert“ haben, können durch die Kombination aus allen Methoden, eine Veränderung Ihrer Muster erfahren. Vielleicht besteht auch nur ein ganz dumpfes Gefühl, dass sich gewisse Dinge im Leben wiederholen. Auch dann kann es sich lohnen genauer hinzusehen, wenn das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist: Immer der selbe Typ Partner*in, Im Job will es einfach nicht klappen, ein wiederkehrendes Gefühl von Ablehnung und Abgetrenntheit bei Freunden/Bekannten, ein ständiges "das klappt doch eh nicht".
Schema-Coaching ist für Menschen geeignet, die mit rein kognitiven Coaching und Therapieformen keine Fortschritte in der Auflösung und Veränderung ihrer als schädlich oder störend empfundenen inneren und/oder äußeren Verhaltensmuster, erlebt haben. Im Gegensatz zur klassischen Verhaltenstherapie, wird der Fokus weniger auf das äußere Verhalten gelegt und es findet eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Schemata, den darauf folgenden Bewältigungsstrategien und den aktiven und inaktiven Modi (inneren Stimmen/Anteilen) statt.
In der Coaching Arbeit werden durch die Initiierung und Stärkung des gesunden Erwachsenen, schädigende Modi begrenzt, bewertet oder zum Verstummen gebracht. Kindliche Modi werden empathisch unterstützt, gesehen und gehört. Das Kind ist ein liebenswertes, wertvolles, einzigartiges Wesen, das seinen Eltern ausgeliefert ist. Niemals trifft das Kind die Schuld!
Genauso wichtig wie das Verständnis ist der Wille und die Entscheidung des Klienten/der Klientin wirklich etwas im Leben verändern zu wollen. Dazu gehört auch, Methoden zuzulassen, die bisher vielleicht noch nicht erlebt wurden. Es ist unbedingt wichtig, dass sich der Coach voll und ganz auf die Klientin/der Klient einlässt und die Beziehung beider zueinander als vertrauensvoll und gleichwertig wahrgenommen wird.
Wenn du dich durch meinen Blogartikel angesprochen fühlst und deine Verhaltensmuster, die dich blockieren oder Störungen verursachen, verändern möchtest, dann darf ich dich einladen, mich per Mail oder Telefon zu kontaktieren. Ich freue mich, von dir zu hören.
Herzliche Grüße Maren
Quelle:
Dr. Björn Migge Schema-Coaching – Einführung und Praxis: Grundlagen, Methoden, Fallbeispiele; Beltz 2013
Dr. Björn Migge Schema-Coaching – Seminar 1-3; 2021